Über Lehrmittel in der Musik
Eine Annäherung ob und wie man Musik vermitteln kann.
Diese Arbeit entstand im Rahmen einer Masterarbeit in erweitererter Musikpädagogik zwischen 2011 – 2014.
EINLEITUNG
Das Wesen der Musik
Die Musik erlebe ich wie ein Wesen: erklingt sie, so wird sie sinnlich
erfahrbar. Sie lebt und berührt mich körperlich und geistig. Ist es still, und denke ich an Musik, wird es mir möglich, Klänge in meinem
Bewusstsein wach zu rufen. Ich kann die Töne einer Marimba wie die eines Gesanges hören, von innen her, und die Musik berührt mich, durch Emotionen ausgelöst, erneut körperlich und geistig.
Folgende Fragen habe ich mir gestellt:
• Wie begegne ich der Musik, wenn ich ihr eine Wesenhaftigkeit anerkenne?
• Wie erlerne ich ein Instrument, um damit das Wesen der Musik zu ergründen?
• Lerne ich ein Instrument, um es zu beherrschen?
Auf meiner Suche begegnete ich folgendem Gedankengang von
E. Tolle: „... Zweck und Mittel sind eins. Und wenn die Mittel nichts zum Glück der Menschen beitragen, tut es der Zweck auch nicht. Das Ergebnis, das untrennbar ist von den Handlungen, die zu ihm geführt haben, ist durch diese Handlungen bereits kontaminiert und schafft nur weiteres Leiden. ...“ *
(* Tolle spricht in seinem Buch über den Erfolg und über das erfolgreich sein. Tolle, Eckhard: Eine neue Erde . Goldmann, Arkana 2005).
Dieses Zitat dient mir als Wegweiser, wann immer ich mich fragen muss, wie ich etwas erreichen will und welche Mittel ich einzusetzen gedenke. Es dient mir gewissermassen als Kompass einer Ethik, zu der ich ja sagen kann. Es führt mich weiters dazu, jeden Moment im Leben willkommen zu heissen, da im Arbeitsalltag beinahe jedes Tun mit einer Absicht verbunden ist. Welche Mittel wähle ich also, welche Vorgehensweise, damit ich meinen Zweck nicht korrumpiere?
Ich hoffe, dass die Entscheidungen über meine eingesetzten Mittel die Menschen etwas glücklicher machen.
Aber vorerst: zurück zum Beginn der Arbeit. Wieso, hat mich das Wesen der Musik derart beschäftigt?
HAUPTTEIL
Beginn der Arbeit
Im Sommer 2010 begann ich im Alter von 45 Jahren mit einem
berufsbegleitenden Studium, einem CAS in Music Performance, an der ZHdK. Ich belegte das Hauptfach Marimba und wählte aus einem Angebot von Hunderten von Freifächern folgende Kurse: Pädagogische Psychologie, Spiraldynamik für Musiker, Allgemeine Didaktik und Fachdidaktik, Forschungsmethodik in der Musik wie auch einen Kurs für die Interpretation von zeitgenössischer Musik. Begeistert vom Marimbaspiel und besonders interessiert an der Psychologie, folgte ich dem Unterricht mit grösster Aufmerksamkeit. Die vorliegende Arbeit bildet nun den Abschluss der vergangenen Jahre und widerspiegelt meine zentralen Interessensfelder während des Studiums.
• Welche besonderen Kenntnisse besitze ich, die sich für eine Arbeit in erweiterter Musikpädagogik eignen?
Dies ist die Frage, die ich mir zu Beginn der Masterarbeit stellte und im folgenden Statement zu beantworten versuchte:
Brachland
Die Marimba erfreut sich seit ca. 40 Jahren international steigendem Interesse. Generell kann man sagen, dass sich neben der folkloristischen Musik aus Zentralamerika und Afrika vor allem
zeitgenössische Musik finden lässt. Transkribierte Musik des barocken Zeitalters - besonders die Musik von J. S. Bach - findet unter Marimbisten ebenfalls grossen Anklang. Aber welche Musik spielt ein interessierter Laie, der die Freude am Klang hat, Begeisterung im Improvisieren findet und das Zusammenspiel mit unterschiedlichsten Gefährten sucht? Wie begleite ich ein Lied? Wie spiele ich die Akkorde, die Basslinien und die Melodien?
Zwischen den Folkloremusikern und den Orchesterperkussionisten -
zwischen den Dörfern und dem Opernhaus - existiert ein vielfältiges,
vielschichtiges Brachland: die bunte Agglomeration, der unbestiegene Berggipfel und die Schluchten pulsierender Metropolen.
Spagat
Folklore wird generell mündlich vermittelt. Zeitgenössische Musik erarbeitet man sich mit Partituren, durch Experten erläutert. Als
Konzertmusiker und Pädagoge erlebte ich den Spagat zwischen dem mündlich Tradierten und dem zeitgenössisch Interpretierten. Die Unterscheidung in Populär- und Kunstmusik, Unterhaltungs- oder
ernste Musik befriedigt jedoch heute kaum jemanden mehr. Bei der Frage, welche Musik sie spielen oder hören wollen, gilt es für Musiker wie für Zuhörer zu überlegen, wodurch sie berührt werden, was in ihnen anklingt, welche Gefühle angesprochen werden. „Das Entscheidende ist, was du hörst und welche Person du dazu bist, um eine gewisse Musik zu spielen, die zu dir passt.“ Diesen Merksatz vermittelte Michael Rosen 1990 anlässlich einer int. Marimba Masterclass in Belgien. „Il faut sentir ce qu'on joue“, lehrten mich die Grioten in Westafrika vor 28 Jahren. Letztendlich liegen die zwei unterschiedlichen Musiktraditionen inhaltlich sehr nahe beieinander.
Was sich aber unterscheidet ist die Annäherung, der Weg zur Musik.
Durch die Formulierung dieses Statements, welches als Absichtserklärung für meine MAS-Arbeit diente, ergab sich eine erste Richtung. Im Brachland-Text breche ich eine Lanze fürs herzhafte Musizieren und für ein Marimbaspiel für Laien.
SCHLUSS
An wen richtet sich heute meine MAS-Arbeit?
Aus meiner persönlichen Geschichte heraus plante ich ursprünglich ein Lehrmittel für Autodidakten zu schreiben. Dieses Vorhaben habe ich ebenfalls verabschiedet, weil sich das Kernanliegen im Laufe der Ausarbeit gewandelt und eine neue Richtung eingeschlagen hat.
Die vorliegende Arbeit ist für junge und erwachsene Menschen gedacht, die Musik mögen und sich am Klang der Marimba erfreuen.
Das Lehrmittel richtet sich an Beginner des Marimbaspiels. Es sind
keine Vorkenntnisse in Musiktheorie nötig: alle Übungen werden kurz in Sprache erläutert und mit Bildern illustriert. Musiktheoretische Grundlagen werden „in kleinen Portionen“ in die Themen oder Spielübungen integriert.
Das analoge Lehrmittel ist mit audiovisuellen Inhalten verbunden: es ist mit elektronischen Medien wie Videos erweitert. Ein Mobiltelefon oder Tablett mit Internet-Zugang und einem QR-Scanner-App dient als Bildschirm, um Fotos und Videos zu betrachten und zu hören.
Wir sind auf dem Weg, die Hauszeitung von Hogwarts zu realisieren!
(Die Hogwarts-Schule für Hexerei und Zauberei ist
Haupthandlungsschauplatz der Harry Potter Romane. Die Fotos der
Hauszeitung „The Daily Prophet“ leben – sie bewegen sich.)
Das Lehrmittel ist ebenfalls für Pädagogen gedacht. Musikerinnen und Musikern, die auf der Suche sind, wie neue Medien in den Unterricht einfliessen zu lassen, hoffe ich mit Marimba Diary ein paar Ideen zu unterbreiten.
Marimbisten könnten darüber hinaus Interesse zeigen, weil keine einzelne Mallet-Technik oder -Methode bevorteilt wird. Statt dessen erläutere ich im positiven Vergleich alle bekannten Techniken und ermutige meine Leser, Neues auszuprobieren. Hier sei ergänzt, dass
die Einführungen zu den Mallet-Techniken bewusst kurz, weil für Beginner gedacht, gehalten sind. Marimba Diary 2 richtet sich dann an Fortgeschrittene, die ihre Kenntnisse verfeinern und vertiefen wollen...
Quintessenz: Titel und Anspruch
Der Titel „Marimba Diary – Klingen, Hören, Ruhen“, soll den Lernenden dazu bewegen, seinen eigenen ganz persönlichen Marimba- und Musikalltag bewusst wahrzunehmen und zu verinnerlichen. Über Bewusstsein wird viel intellektuell nachgedacht und gesprochen. Wie aber geht man praktisch vor, bewusst zu werden, Bewusstsein zu erlangen?
“Contemplation is watching.
What happens, if you watch?
You begin to see.” *
Kontemplation heisst betrachten.
Was geschieht beim Betrachten?
Du fängst an zu sehen.**
Übertrage ich das Zitat von Robert Lax sinngemäss auf das Hören,
könnte es folgendermassen lauten:
Kontemplation heisst lauschen.
Was geschieht beim Lauschen?
Du beginnst zu hören.***
* Robert Lax (* 30. November 1915 in Olean, New York; † 26. September
2000 ebenda, lebte die letzten 40 Jahre zuruckgezogen auf Patmos,
Griechenland); er war ein US-amerikanischer Dichter und Publizist.
** Übersetzung des R. Lax Zitats: Markus Amrein
*** Analogie: H.J.R
Allen Kapiteln von Marimba Diary liegt eine kontemplativ-praktische Vorgehensweise zu Grunde.
Und wie geht das ganz genau?
Die Antwort auf diese Frage erhalten sie in der vorliegenden
Arbeit, auf insgesamt 18 „Doppel-Doppel“ –Seiten, in kurzen
Worten, in präzisen Bildern die zum verweilen einladen und in
Videos, um Bewegungen eingehend zu beobachten und um
zuzuhören.
Hans Ries, im August 2014